„Manchmal möchte ich der Demokratie eine reinhauen!“

„Es gibt so viele zivilgesellschaftliche Initiativen, die nicht genug gehört werden“, „Wir haben zwar Rechte, aber wir bekommen sie nicht“, „Die repräsentative Demokratie ist unfertig und unvollkommen“, „Die Bürger*innen sehen viele Themen anders, als politische Entscheidungsträger*innen“ – diese und mehr negative Befunde zum Ist-Zustand unserer Demokratie haben wir am Samstag bei einer gemeinsamen Straßenaktion mit der European Public Sphere gesammelt. Unsere Antwort: Der Zukunftsrat Demokratie!

Zukunftsrat Demokratie unter der Kuppel auf dem Karlsplatz

Zukunftsrat Demokratie auf Sommertour

Am Samstag fand am Wiener Karlsplatz die zweite große Etappe der Sommertour des Zukunftsrat Demokratie statt. Bei den öffentlichen Terminen im Sommer möchte das Team Zukunftsrat in ganz Österreich mit Bürgerinnen und Bürgern ins Gespräch kommen und inhaltliche Diskussionspunkte für den ersten bundesweiten Bürger*innenrat im September 2021 sammeln. Mit Unterstützung der European Public Sphere konnten wir für unsere Diskussion über Demokratie das perfekte Setting schaffen: In der geodätischen Sphäre haben Demokratiebegeisterte mit uns über das Eingemachte diskutiert, während sich außerhalb der Kuppel Publikum immer wieder Zeit zum Zuhören und auch für den einen oder anderen Input genommen hat. 

Lobau-Tunnel ….

Besonders heiß wurden die Themen Bürger*innenbeteiligung und Lobau-Tunnel diskutiert. Die Diskutant*innen waren sich allesamt einig, dass manche politische Entscheidungen zu kurzsichtig getroffen werden und dass eine Ergänzung der repräsentativen Demokratie um partizipative Elemente sinnvoll wäre. Florian Wagner von mehr demokratie! Österreich und dem Team Zukunftsrat unterstrich, dass gerade aus den Beratungen des Bürger*innenrates in Deutschland hervorgeht, dass Menschen, die sich an gut vorbereiteten und ernstgenommenen Deliberationsprozessen beteiligen, in diesen Prozessen zu fundierten Meinungen kommen. Gerade in Fragen des Klimaschutzes zeigt sich hier also großes Potential.

Neue Kompromisse und Lösungen

Dieses Potential und die Vorbildwirkung waren für Caroline Hammoutene zwei Gründe, sich beim Team Zukunftsrat ehrenamtlich zu engagieren: „Besonders interessant ist für mich der Austausch von Menschen mit ganz unterschiedlichen Hintergründen, der zu ganz neuen Kompromissen und Lösungen für große Herausforderungen führen kann.“ Das Team Zukunftsrat Demokratie hat es in den letzten Monaten geschafft, ein demokratiepolitisches Vorzeigeprojekt aufzusetzen: „Der Zukunftsrat Demokratie ist in vielerlei Hinsicht ein österreichischer Modellprozess“, stimmt auch Luise Wernisch-Liebich von Respekt.net zu, und weiter: „Einerseits arbeiten mehrere zivilgesellschaftliche Initiativen gemeinsam an einem großen Ziel. Andererseits ist ein bundesweiter Bürger*innenrat ein Projekt, das sich noch niemand so zugetraut hat. Der Klimarat, den die Bundesregierung angekündigt hat, wurde ja gerade erst ausgeschrieben – Respekt.net, mehr demokratie! und die IG Demokratie feilen nun schon seit eineinhalb Jahren am ersten bundesweiten Bürger*innenrat und er findet Mitte September statt. Und was den Zukunftsrat außerdem noch besonders macht, ist die Finanzierung: Wir haben alle Kosten für den Zukunftsrat crowdgefundet – es ist also eine Initiative von aktiven Bürger*innen für Bürger*innen und mehr Demokratie.“

Bei Bürger*inneräten bleiben die Lobbyist*innen draußen

Gerhard Schuster von der European Public Sphere beschäftigt sich schon seit 20 Jahren mit der Frage, wie demokratische Prozesse lebendig gemacht werden können. Als mögliches Mittel vertritt er die dreistufige Volksgesetzgebung – dabei spielen auch institutionalisierte Bürger*innenräte eine probate Rolle: „Es geht um die Frage, wie man Mitsprache auch inhaltlich gut vorbereitet. Für strittige Themen und als inhaltliche Vorbereitungen eignen sich Bürger*innenräte, was das Beispiel der Citizen’s Assemblies in Irland zeigt – Bürger*innenräte sind nicht der Weisheit letzter Schluss und es ist nicht automatisch garantiert, dass sie die „richtigen“ Menschen in demokratische Beratungen einbeziehen, aber sie lassen die falschen – wie Lobbyist*innen – draußen.“

Wertvolle Diskussionspunkte lieferten auch Ilse Kleinschuster und Franz Bauer, die beide seit Jahrzehnten zivilgesellschaftlich organisiert sind. So bemängelte Frau Kleinschuster den Umstand, dass es am Papier zwar eine Reihe Möglichkeiten gäbe, mitzubestimmen, aber zivilgesellschaftliche Initiativen in Gesetzgebungsprozessen noch immer zu wenig ernstgenommen und gehört werden. Franz Bauer, Gründungsmitglied von Greenpeace Österreich und gestandener Kämpfer für Umwelt und Menschenrechte gab dem Team Zukunftsrat mit, „dass nur jemand kommen und es machen“ müsste – wir nehmen die Herausforderungen an und freuen uns nach den produktiven, spannenden Kuppelgesprächen umso mehr auf den Zukunftsrat Demokratie am 18. und 19. September in Salzburg. 

Die Ergebnisse unserer Beratungen stellen wir gleich im Anschluss an den Zukunftsrat selbst in Form eines Bürger*innen-Cafés der Öffentlichkeit und einigen geladenen politischen Entscheidungsträger*innen zu Verfügung.

Die nächsten Kuppelgespräche zum Thema “Society and Technology” finden am Ars Electronica von 10. bis 12. September 2021 statt:

2 Kommentare zu „„Manchmal möchte ich der Demokratie eine reinhauen!““

  1. Tolle Aktionen! Fuer mich, als im Ausland ansaessige Buergerin, stellt sich die Frage, ob der Zukunftsrat Demokratie in seinem Konzept die Gruppe der im Ausland lebenden Buergerinnen und Buerger beruecksichtigt? Im Moment ist nicht zu erkennen, dass diese Gruppe konzeptionell mitgedacht wird. http://www.doppelbuerger.at

    1. Liebe Michaela, danke für Deinen wichtigen Input und auch für Deinen Einsatz in dieser Sache, die demokratiepolitisch eh auch eine Riesenbaustelle ist – zusammen mit den Staatsbürgerschaften für hier geborene Menschen! – Unser jetziges Projekt ZUKUNFTSRAT Demokratie nimmt diese Frage nicht explizit ins Auge – es kann natürlich sein, dass die BürgerInnen das in ihren Beratungen auch als Thema haben werden – das können (und wollen!) wir aber natürlich nicht vorbestimmen.

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