Zukunftsrat Demokratie/ Daniel Furxer

Wir wollen und können uns beteiligen!

Am Wochenende des 18. und 19. September 2021 tagte der erste bundesweite BürgerInnenrat zur Weiterentwicklung der Demokratie in Österreich an der Universität Salzburg. Und die Ergebnisse zeigen ein eindeutiges Bild: BürgerInnen wollen besser eingebunden werden.

Zehn in einem mehrstufigen Losverfahren ausgewählte BürgerInnen – 5 Männer und 5 Frauen – aus verschiedenen Regionen in Österreich und verschiedenen Alters haben sich anderthalb Tage lang in freier Diskussion um die Entwicklung von Ideen und Vorschlägen bemüht, wie sich die Demokratie in Österreich weiterentwickeln soll.

Sie wurden von einem erfahrenen Team von ModeratorInnen begleitet, die die Fairness der Beratung gewährleisteten und die TeilnehmerInnen sicher durch die Beratungszeit führten. Beim öffentlichen BürgerInnencafé wurden die Ergebnisse und Vorschläge des Zukunftsrates am Sonntagnachmittag präsentiert.

Präsentation der Ergebnisse

Frau Landtagspräsidentin Brigitta Pallauf eröffnete das Worldcafé und betonte in ihren Begrüßungsworten die Wichtigkeit von Bürgerratsprozessen in der politischen Entscheidungsfindung auch im Land Salzburg. Bereits 2013 hat das Land Salzburg begonnen, BürgerInnenbeteiligung zu institutionalisieren – und die Worte der Expertin Rita Trattnigg, die das Land bei diesem Prozess begleitet hat, hat die Landtagspräsidentin an das BürgerInnencafé weitergegeben: „Bürgerbeteiligung und das ständige Implementieren gehen nicht von heute auf morgen – das muss in die DNA eines Landes eingepflegt werden.“

Wie notwendig es umgekehrt für die gelebte und entwickelte Demokratie ist, dass BürgerInnen zu Wort kommen, wahrgenommen werden und in politische Entscheidungen einbezogen werden, unterstreichen die Ergebnisse des Zukunftsrat Demokratie. Martina Handler, die den Zukunftsrat gemeinsam mit Markus Götsch und Florian Sturm moderiert hat, fasste die Essenz des Prozesses zusammen: „Es braucht einen gesellschaftlichen Nachdenkprozess unter Einbeziehung der Vielen, für die brennenden Herausforderungen, die nicht von Einzelnen bewältig oder entschieden werden können!“

Gesundheit, Zukunft der Pflege, Klimapolitik, Gerechtigkeit

Besonders die Themen Gesundheit, Zukunft der Pflege, Klimapolitik, Gerechtigkeit brauchen gemäß den Mitgliedern des BürgerInnenrates diesen breiten gesellschaftlichen Nachdenkprozess: „Die Politik – auch wenn sie ausgeschimpft wird soll es trotzdem machen – strengste Auflagen zum Emissionsschutz müssen her! Die Industrie kann es  – und wenn sie muss, wird sie es auch machen. Und das kurbelt indirekt wieder unsere Wirtschaft an, denn die Technik, die jetzt erfunden wird, rechnet sich ja als Wirtschaftsfaktor“, regt Bürgerrat Johann Landsmann im Hinblick auf mutigere Klimapolitik an.

Aber auch in strittigeren Fragen hat sich die Methode als tragfähig erwiesen – was den BürgerInnnerat für alle TeilnehmerInnen besonders ausgezeichnet hat, erklärte Bürgerrätin Edith Lettner : „Völlig konträre Standpunkte müssen nicht zu Spaltung führen, sondern können zu mehr Verständnis und zu neuen Lösungsansätzen führen, zu einem weiteren breiteren Weg und zu gelebter, lebendiger Demokratie, in der man sich gesehen, gehört und wahrgenommen fühlt und das Gefühl bekommt, man hat Teil. Das Fazit ist: Es sollte wirklich in der DNA jedes Landes verankert werden!“

„Wir wollen und können uns beteiligen!“

Sobald man über Demokratie spricht, kommt man unweigerlich darauf, wie vielfältig die Themen sind, bei denen es eigentlich mehr BürgerInnenbeteiligung bräuchte, erklärten die beiden Bürgerräte Werner Ammerer und Leopold Schulhof.

Sie haben im Zuge des BürgerInnenrates gleich ein Modell entworfen, wie BürgerInnenräte tatsächlich im Gesetzgebungsprozess institutionalisiert werden können: „Wir wollen und können uns am politischen Prozess und an den Lösungen beteiligen. Zuerst muss eine Plattform geschaffen werden, wo die Bevölkerung ihre Themen sammeln kann. Die brennendsten Fragen sollen in unabhängigen BürgerInnenräten mit zugezogenen ExpertInnen aufgearbeitet werden. Das Ergebnis dieser BürgerInnneräte sollte dann in Zielen und Bürgerwillen enden, um daraus mit ExpertInnen tragfähige Lösungen für Probleme vorschlagen zu können.“ Breite Beteiligung an den BürgerInnneräten möchten die beiden vom Prozess überzeugten Teilnehmer über Bestellungen nach dem Modell der Ladung von Schöffen und Geschworenen sichern, bis sich bei der Mehrheit der BürgerInnen das Selbstbewusstsein etabliert hat,  Mitbestimmung zu leben.

Zukunftsrat Demokratie
Zukunftsrat Demokratie vor der Edmundsburg

Politisches und demokratisches Bewusstsein schaffen

Als Grundlage für alle Bestrebungen, unsere Demokratie bunter, bürgerInnenäher und vor allem besser zu gestalten, hat der Zukunftsrat Demokratie politische Bildung identifiziert. Bürgerrat Pieter Jan De Meulenaer konstatiert, dass Bildung ab dem Kindergarten beitragen kann, das Interesse für Politik zu fördern. „Uns muss bewusst sein, dass wir das Volk sind und dass wir über unsere Beteiligung jederzeit die Möglichkeit haben, politische Verhältnisse zu ändern!“

Der ZUKUNFTSRAT Demokratie ist eine Initiative von Respekt.net, IG Demokratie und Mehr Demokratie!

Die drei NGOs haben seit Februar 2020 in vielen hundert ehrenamtlichen Stunden und mit der Unterstützung von 226 SpenderInnen des Crowdfundingprojekts an der Verwirklichung gearbeitet.

Der Prozess wird von einem externen Beirat begleitet und politikwissenschaftlich evaluiert. Der Schlussbericht und der Policy Brief mit den Empfehlungen des ZUKUNFTSRATES Demokratie wird im November an die Politik und die Öffentlichkeit übergeben werden.

Wir haben die Präsentation aufgezeichnet. Den Mitschnitt finden Sie hier: Präsentation der Ergebnisse.

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Danke für die Fotos an Daniel Furxer

6 Kommentare zu „Wir wollen und können uns beteiligen!“

  1. Herbert Wegscheider

    Politische Parteien sind Demokratie von vorgestern. Die handelnden Personen werden negativ selektiert: Wer die stärksten Ellenbogen hat, setzt sich in der Parteihierarchie durch. Das Problem Korruption ist notorisch. Es geht immer darum, bei der nächsten Wahl wieder gewählt zu werden. Wahlversprechen dienen nur dazu. Sachpolitik tritt zurück gegenüber eigenen Profilierungsinteressen und dem Interesse, politische “Gegner” schlecht zu machen.
    Zufällig und auf Zeit zusammengesetzte BürgerInnenräte haben alle diese Probleme nicht und können wirklich am Problem arbeiten.
    Nach meinem Eindruck hat der Zukunftsrat Demokratie diese Vermutungen bestätigt.

  2. Ich bin Begründer des 1. Philosophencafes in Gmunden; seit 1999 hatten wir über 130 Veranstaltungen.Dieses Muster des offenen Diskutierens, öffentlichen Abwägens von Meinungen, die natürlich auch diskutiert und einer Begründung standhalten sollten. Das Stellen von Fragen waren unter Mithilfe von Moderatoren langjährige Praxis. Auf unserer homepage wird dieses demokratische Prinzip eines öffentlichen Diskurses für die Zeit der NACH-PANDEMIE vorgestellt. Die Gegenwart, mit all den Maßnahmen und diesen Wahlen in Graz und Oberösterreich hat mich betroffen gemacht und ist für mich ein dringender Hinweis auf den Wunsch, Fragen der politischen Praxis mitbestimmen zu wollen.
    Wie kommen wir aus dieser Blase des selbst gesponnenen Politik-Verständnisses heraus ? Ihr Aufruf zu mehr Demokratie hat mich überzeugt. Es werden alle Bürger zum Wohle der ganzen Gesellschaft und ihrer Institutionen zur Mitgestaltung aufgerufen.

  3. mein partner und ich arbeiten bei den grünen in oö/engelhartszell mit und würden denen so gerne zeigen wie man mit dem “bürgerräte”system die bewohnerinnen in die politik einbinden kann. (wir sind teil von den grünen in e-zell und zum ersten mal auf dem stimmzettel. mit anhieb haben wir am 26.9.21 20 % an stimmen bekommen!) nachdem ich eine sendung über bürgerräte am mo. um 19:05 in Ö1 gehört habe suche ich eine person, die bereit wäre vll sogar hierher zu kommen und mit interessierten leuten das durch zu spielen. ich habe auch die obfrau von der spö hier im ort gefragt und die grünen in esternberg. ich nehme an, dass wir mehrere werden – hoffentlich! können sie mir jemanden empfehlen? mfg elenore fischer 0677 63737339 oder 07717 8142

    1. Stephanie Team Zukunftsrat

      Liebe Elenore,
      danke für Ihre Nachricht. Es freut uns zu lesen, dass in Ihrer Umgebung Interesse an Bürger:innenräten gibt.
      Gerne melde ich mich oder eine Kolleg:in bei Ihnen am kommenden Freitag.
      Herzlich, Stephanie Steyrer

  4. Ich bin bei einer neu gegründeten grünen gemeinderatspartei in oö dabei (mit einem wahlergebnis von 20 %) und wir suchen jemanden, die/der uns hilft mit dem system “bürgerräte” hier in der kleinen gemeinde die menschen einzubinden und mitbestimmen zu lassen. können sie uns jemanden empfehlen? mfg elenore fischer

  5. Ich gratulier euch !!! auch jetzt für die Einsetzung eines Zukunftsrates Verkehr !
    Ihr seid die einzigen in der Stadt, die aktuell echte partizipative Prozesse einleiten !
    großen Dank !
    ich leite diese Info möglichst breit weiter ……
    Monika Ferdiny

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